Was kommt nach dem Wachstum?

Früher war alles besser. Das möchte man glauben, wenn man heute vielen Protagonisten zuhört: Da sind zum einen die, von denen man nichts anderes erwartet hat, die Zukunftspessimisten, die Stillstandswahrer, die Reaktionäre und Sparer, die heute das morgen liebend gern für das gestern eintauschen würden. Da sind aber auch – und das ist neu – die Wachstumsfetischisten, Zwangsoptimisten und Innovationsprediger, die Innovation lediglich der Eindimensionalität von „mehr“ und „neu“ zuordnen. Ja, natürlich brauchen wir Innovation, aber auf Basis anderer und vor allem zukunftsfähiger Werte. Denn was uns die Krise gezeigt hat, ist das wahre Innovationen nicht technischer, sondern sozialer Natur sind. Die Neuerfindung des Neuen ist kein Selbstzweck, vielmehr erwächst die Innovation von Morgen aus geteilten Anliegen. Und da kommen die Menschen ins Spiel.

 

Zukunftsfähige Innovation bedeutet, dass Erfolg neu und über das bloße Anhäufen von mehr vom Alten oder lediglich schneller hinaus gedacht werden muss. Erfolg wird eine Frage der Anschlussfähigkeit werden – Anschlussfähigkeit an die Ökologie und Anschlussfähigkeit an menschliche Bedürfnisse. Die politische Theoretikerin Hannah Arendt sprach schon in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts davon, dass Menschen in der späten Industriegesellschaft zwischen Arbeit und Konsum gefangen sein werden und dadurch weltlos würden. Aber was soll die Alternative sein? Ist das nicht die Grundlage unseres Wohlstands? Bereits 2009 wurden die Grundzüge einer sogenannten Postwachstumsökonomie umrissen, denn es war klar, dass die Welt langfristig die global arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozesse zugunsten lokaler und regionaler Selbstversorgungsmuster tauschen werden muss. Die über Geld und Märkte transferierte Wertschöpfung von ökologischen Schäden zu entkoppeln, entbehrt leider jeder empirischen Grundlage. Durch die Corona-Krise sieht man heute wie überhitzte Märkte schmelzen und teilweise implodieren. Sei es die Billigfleischindustrie oder die von Exzess und Dekadenz geprägten Märkte wie zum Beispiel die Billigfliegerei oder Kreuzfahrten – alles, was zu sehr auf Kante genäht ist, fliegt einem jetzt um die Ohren. Statt des Höher, Schneller, Weiters werden wir zukünftig systemische Resilienz und ein vitales, sozial und ökologisch verträgliches Wachstum brauchen, das auf Diversität sowie Ausgewogenheit aufbaut und auch bereit ist Schrumpfungsprozesse hinzunehmen. „Die Ökonomie der Zukunft braucht die Erfahrung“, sagt der Resilienzforscher Harad Katzmair, ein echter Experte für Wandel und Anpassungsfähigkeit: „Eine neue Form der Aufklärung ist gefordert: eine Ökonomie, die auf die Entwicklung von Potenzialen abzielt statt auf Wachstum.“ Die Potenziale liegen vor unserer Haustür. Sie heißen Kreislaufwirtschaft, Social Business und Slow-Märkte. Es wird Zeit sie herein zu lassen.