Rede von Dr. Hans Volker Lill zur Hessenkasse

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich gehe davon aus, dass der Beitritt zur Hessenkasse mit großer Mehrheit, vielleicht sogar einstimmig beschlossen werden wird.

Da es sich um einen weiteren bedeutenden Meilenstein auf dem Weg der Sanierung der Finanzen der Stadt handelt und wir uns ja finanziell völlig anders in Zukunft aufstellen wollen, möchte ich hier noch mal auf die Bedeutsamkeit des Gesamtprojekts „Sanierung“ hinweisen.

Das Rettungsschirmverfahren ist erfolgreich umgesetzt worden und befindet sich in seiner Spätphase. Im Schutzschirmverfahren wurde die Tilgung langfristiger Kredite in Höhe von über 50 Mio übernommen uns es wurden auch die Zinslast auf diese Kredite zum Teil -2% übernommen. Die Bedingungen, die das Land für diese Hilfe stellte – so schmerzhaft sie zum Teil waren – wurden erfüllt. Ein ausgeglichener Ergebnishaushalt ist im Jahr 2017 mit dem besten Ergebnis überhaupt erzielt worden. Im Anschluss an das Rettungsschirmverfahren ermöglicht nun die Hessenkasse, dass sich dei Stadt von ca. 240 Mio Kassenkredtien befreien kann. Das heißt, dass die in Anspruch genommene Überziehung der Kontokorrentkonten zum Stichtag 01.07.2018 auf 0 heruntergefahren werden kann. Die Bedingungen dieses Verfahrens sind bekannt, so dass ich sie nur noch einmal kurz benenne:

  • Jährliche Zahlung an die Hessenkasse aus den Mitteln des Haushalts in Höhe von rund 2,3 Mio über einen Zeitraum von 30 Jahren. Also nach Adam Riese insgesamt 69 Mio von erlassenen 244 Mio.
  • Natürlich keine Kassenkreditaufnahmen zur langfristigen Finanzierung nichtinvestiver Ausgaben mehr.
  • Aufbau von Liquiditätsreserven von mindestens 2% der jährlichen Einnahmen. Bei 270 Mio Einnahmen wären das dann 5 bis 6 Mio.

Ein finanzwirtschaftlicher Neustart mit Schuldenerlass von 54 Millionen im 1. Schritt und 240 Mio im 2. Schritt sowie einem Haushaltsüberschuss von 11 Mio im Jahr 2017 – das klingt nach Schlaraffenland. Wir begrüßen den Neustart, wissen aber, dass dies mit Schlaraffenland nichts zu tun hat.

Mir ist es ein Anliegen, auf die Risiken des Prozesses hinzuweisen. Denn es sollte klar sein, dass das Hessenkassen-Verfahren die finanziellen Spielräume der Stadt keinesfalls vergrößert. Wenn in Zukunft mehr Geld für welche Maßnahmen auch immer zur Verfügung gestellt werden soll, kann es nur von erwirtschafteten Zuschüssen stammen, nicht aber von Schuldenerlassen und Schuldübernahmen durch das Land.

Exkurs: Das Verfahren „Hessenkasse“ ist nicht unumstritten. Ich kann die Stimmen – auch aus meiner Partei – verstehen, die das Programm als unfair bezeichnen. Denn zum großen Teil wird es aus Mitteln finanziert, die auch ohne Hessenkasse an die Kommunen geflossen wären, allerdings nach anderen Verteilungsmechanismen. Damit finanzieren Kommunen, die keine Kassenkredite abzutragen haben, die Hessenkasse faktisch mit.

Das hier die politische Stimmung in Bezug auf die Hessenkasse eine ganz andere ist als bei uns, liegt auf der Hand. Da wird es noch Nachjustierungen geben, wahrscheinich nicht zu unseren Gunsten.

Aus unserer Interessenlage heraus fällt die Bewertung natürlich nur positiv aus. Der Wegfall der Kassenkredite reduziert vor allem das enorme Zinssteigerungsrisiko in der längerfristigen Zukunft. Ein Damoklesschwert wird abgeräumt, das uns sonst irgendwann mal den finanziellen Garaus gemacht hätte.

Aber welche kurzfristigen finanziellen Folgen sind zu erwarten?

Während das Rettungsschirmverfahren noch geringe positive Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt durch die Zinsbeihilfen hatte, führt das Hessenkassen-Verfahren zunächst zu einer zusätzlichen Belastung, sowohl des Ergebnishaushalts, als auch des Finanzhaushalts, sprich der Liquidität. In den Zeiten, in denen alte Kassenkredite einfach durch neue ersetzt wurden und dazu zusätzlich weitere Kassenkredite aufgenommen wurden, hatte man ja zunächst kein Liquiditätsproblem.

Jetzt wird die Liquidität zukünftiger Haushalte zunächst belastet durch die benannten Rückzahlungen in Höhe von 2,3 Mio, die natürlich nicht refinanziert werden können. Auch die Schaffung der Rücklagen kann nur aus Überschüssen kommen, die nicht im Haushalt anderweitig verplanbar sind.

Der finanzielle Spielraum wird im weiteren Verfahren also enger statt größer, das sollte uns allen klar sein.

Soll heißen: der Gürtel muss enger geschnallt werden. Ich bleibe dabei: Es ist ein Fehler, jetzt Signale auszusenden, die Stadt könne den Bürgern etwas zurückgeben, was sie ihnen vorher genommen habe. Es ist schlichtweg nichts da, was zurück gegeben werden könnte.

Wir müssen durch die Fortsetzung der strikten Haushaltspolitik, die auf Sicherung bedacht ist, vor allem vermeiden, dass wir innerhalb dieses langfristigen Verfahrens nicht in eine Schieflage geraten. Denn wir kämpfen, wie dargestellt, mit zusätzlichen Liquiditätsbelastungen bei gleichzeitig weiterhin schwer kalkulierbaren, volatilen Einnahmen bei Gewerbesteuer (das ist ja nichts neues) und der Einkommenssteuerumlage (das war neu für mich, nachdem ich es in der letzten HFA-Sitzung erfahren habe).

Mit Recht weist die IHK in ihrer Stellungnahme zur Hessenkasse darauf hin, dass in einem solchen Fall ein „faktischer Zwang zur weiteren Anhebung von Realsteuern“ entstehen kann, so wie es im Schutzschirmverfahren schon der Fall war.

Wir hielten eine solche Entwicklung für den Standort Hanau für fatal und wollen dies unbedingt vermeiden, Schon jetzt war Hessen im 5-Jahres-Vergleich Spitzenreiter bei den kommunalen Steuererhöhungen. Hanau war da noch vergleichsweise moderat unterwegs. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten wären weitere Steigerungen über dies Seite zur Finanzierung der Anforderungen der Hessenkasse kontraproduktiv. Alzenau lässt grüßen.

Ich weiß, dass keiner der Beteiligten auf diese Schiene will. Ich wollte auch nur nochmal auf diese Gefahren des „faktischen Zwangs“ hinweisen und sagen, dass wir weiterhn Sicherungskonzepte unterstützen werden, die ein hineinrutschen in eine solche Situation vermeiden.