Keine steuerfinanzierte Doppelstruktur, wo es bereits einen funktionierenden Markt gibt

FDP Stadtverordnetenfraktion lehnt Antrag zu Urban Mining Strategie ab

In seinem Redebeitrag zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, eine Urban Mining Strategie für die Stadt Hanau zu entwickeln, verwies der FDP-Fraktionsvorsitzende Henrik Statz auf die liberalen Positionen ihres Wahlprogamms zur Kommunalwahl 2021. Auch hier fanden sich bereits konkrete Ideen, um die Materialtechnikkompetenz am Standort Hanau zu stärken und gezielt weitere auf die Kreislaufwirtschaft spezialisierte Unternehmen anzusiedeln, um Ressourcen zu sparen. Im Gegensatz zu dem Antrag der Opposition befand Statz, dass es bereits hinreichende gesetzliche Vorschriften gäbe und verwies auf einen sehr gut funktionierenden Markt mit Rohstoffen und Rezyklaten. Beispielsweise produziere die Baustoffindustrie mittlerweile in sehr vielen Produktkategorien mit hohen Recyclinganteilen. Es gäbe Fensterbauer, die Kunststofffenster aus 100 Prozent Rezyklatkunststoff herstellen oder Aluminiumfenster aus nachhaltigen Legierungen mit 75% End-of-Life-Material, wobei in der Produktion 70% CO2 eingespart würden. Auch beim Glas selbst, könne durch den Einsatz von Scherben einiges an Energie eingespart werden. Vorausgesetzt, dass die Materialien bei der Rückführung in den Closed Loop nicht verunreinigt werden.

Das durchschnittliche End-Of-Lifecycle Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1962 mit 53 Wohneinheiten bestand aus rund 2500 Tonnen Beton, 1.800 Tonnen Ziegeln, 500 Tonnen Putz, 180 Tonnen Stahl, dann kleinere teile Estrich, Dachpfannen, Holz, Fliesen, Dämmung, Gips, Glas, Kunststoff, Aluminium, Kupfer und so weiter. Vieles davon lande durch penible Trennung beim Abriss schon heute wieder im Kreislauf. Das sei gut, spare Ressourcen und Energie. Weil so ein Abrisshaus aber nicht kofferraumweise vom Bauherrn zur Deponie abgefahren würde, sondern von Abrissunternehmen erledigt wird, gelten für diesen Bereich strenge Vorschriften.

„In etwas jüngeren Bauten haben wir häufiger das Problem, dass viele Materialien verklebt, verleimt, vergossen – und somit untrennbar miteinander verbunden sind,“ führt Statz aus. Dieser Abfall lande beim Abriss auf der Deponie oder als billiges Füllmaterial im Tiefbau. Dies sei das sogenannte „lineare Bauen“: Die Materialien würden also aufwändig neu produziert, zur Baustelle transportiert, verarbeitet und Jahre später entsorgt. Beim zirkulären Bauen gehe es darum das Gebäude als Rohstofflager zu interpretieren: Möglichst alles, was verbaut wurde, soll sich später wiederverwerten lassen – und zwar von Anfang an geplant und dadurch so problemlos wie möglich. Das heißt, in die Zukunft gedacht, muss es das Ziel sein, dass wir so wenig wie möglich oder besser noch, gar keinen Müll verbauen. „Das könnte beispielsweise eine städtische Strategie beim Bauen kommunaler Gebäude sein,“ erklärte Statz hierzu. Hier hätte man auch eine echte Chance die historischen Informationsdefizite über die Gebäudeinhalte zu vermeiden.

In der Regel sei es aber der Fall, dass wir meist zu wenige Daten und Informationen über verwendete Materialen, Herstellungsprozesse aber auch das Nutzerverhalten des Gebäudes besitzen. Dieses Informationsdefizit könne mithilfe der zunehmenden Digitalisierung der Bauprozesse vermindert werden.

Bild: Pixabay

Im Gebäudeneubau könne dies mit Hilfe der Bauwerksdatenmodellierung, der sogenannten BIM-Methodik erfolgen, bei der detaillierte Kenntnisse über die im Bau verwendeten Materialien im digitalen Zwilling der Immobilie hinterlegt werden. Die BIM-Methodik würde es zudem bereits vor der Erstellung des Gebäudes ermöglichen, die im gesamten Lebenszyklus genutzten Ressourcen zu simulieren und Effizienzsteigerungen in einer frühen Planungsphase durch ein verändertes Gebäudedesign zu erreichen. „Das wäre ein strategischer Ansatz, der sich meiner Meinung nach auf kommunaler Ebene umsetzen ließe,“ so Statz. Das sehe er beim vorliegenden Antrag leider nicht. Zwar sei zu lesen, dass bei aktuellen Baumaßnahmen der Stadt Hanau bereits auf die Rückbaufähigkeit von Materialien geachtet werden solle. Darüber hinaus sollten aber auf Wunsch der Antragsteller zusätzlich Strukturen geschaffen werden, die die Lagerung von Material ermöglichen, es sollen Wiederverwertungsbörsen eingerichtet werden und über die Möglichkeiten des zirkulären Bauens soll informiert werden. „Mir erschließt sich nicht, warum wir Steuergelder für ein als solitäre Insellösung gedachtes Paralleluniversum in die Hand nehmen sollen, wo es einen funktionierenden und spezialisierten Rohstoffmarkt für Recyclingprodukte und Rezyklate gibt. Ich wüsste auch nicht, wo diese Rohstoffe gelagert werden sollten und wie die Vermarktung funktionieren soll,“ fasst Statz seine Kritik am Antrag zusammen. Zuletzt schleiche sich bei ihm der Verdacht ein, dass man in dem Antrag zwar von Strategie spräche, aber eigentlich Satzung meine. Es sei doch heute schon bei jedem Abriss irrsinnig, nicht so kleinteilig wie möglich seinen Bauabfall zu trennen. Baumischabfall sei mit das teuerste, was man entsorgen könne, in etwa fünfmal so teuer wie Bauschutt.