FDP Hanau stimmt für Beteiligungsprozess für Zentrum für Demokratie und Vielfalt
„Gerade in dem Jahr 2023, das sich nun dem Ende zuneigt, mussten wir feststellen, dass sich die Welt so instabil und gefährlich anfühlt wie schon lange nicht mehr. Während wir in den vergangenen Jahrzehnten den Eindruck hatten, dass sich die Welt immer mehr zum besseren entwickelt, sehen wir uns heute damit konfrontiert, dass längst geglaubte Sicherheiten der Vergangenheit angehören. Die aktuellen Entwicklungen lösen Sorge, mitunter Furcht vor der Zukunft aus. Und das macht nicht nur etwas mit uns allen, sondern hat weitführende Konsequenzen,“ eröffnet der Fraktionsvorsitzende der Hanauer FDP Stadtverordneetenfraktion seinen Redebeitrag zur Vorlage „Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit für den Entwicklungsprozess des Zentrums für Demokratien und Vielfalt“
„Immer mehr Menschen haben Angst vor der Zukunft. Die Angst hat verschiedene Konsequenzen. Sie verkürzt unseren Zeithorizont, und wir konzentrieren uns nur auf den heutigen Tag. Wir können nichts anderes sehen. Wir werden viel vorsichtiger gegenüber Risiken. Das Vertrauen untereinander schwindet,“ zitiert Statz den ehemaligen Management Consultant und Autor John Hagel, der beim Peter Drucker Forum Anfang Dezember in Wien die aktuelle Situation zusammenfasste.
Überfallkriege in der Europäischen Nachbarschaft, rassistisch oder religiös motivierte Anschläge, offener Hass im Internet, all das lässt unsere Alarmglocken angehen, Vertrauen und Zuversicht weichen. Und spätestens da macht es durchaus Sinn, sich die Dinge im Grundsatz anzuschauen und dem Gegenentwurf zu Autokratie und Gleichschaltung Platz einzuräumen.
Demokratie ist mehr als ein politisches System, sie ist als Raum der Möglichkeiten gedacht, sie baut auf Vielfalt und Diversität auf. Sie ist ein Angebot an uns alle. Sie versetzt uns in die großartige Lage auswählen und entscheiden zu können. Das war bei weitem nicht immer so. Und auch wenn wir das als selbstverständlich erachten, lohnt sich der Blick in die Vergangenheit oder sogar in die Gegenwart um uns herum.
Laut Demokratieindex des Economist vom Februar 2023 lebt 45,3 % der Weltbevölkerung in einer Demokratie, 36,9 % hingegen in einer Diktatur aber nur 24 Länder der weltweit 195 Nationen gelten als vollständige Demokratien ohne Etikettenschwindel. Wir sind also die Ausnahme, nicht die Regel. Wir haben gelernt, dass Demokratie, Vielfalt und Freiheit zu Erfolg führen. Sie gelten bei uns als Treiber für Wohlstand und Wohlfahrt. Aber dennoch gibt es genügend Feinde dieses Modells, nicht nur außerhalb Deutschlands, sondern auch mitten unter uns. Ernst Bloch fand schon im Jahr 1932 dazu die passenden Worte: „Nicht alle sind im selben Jetzt da. Sie sind es nur äußerlich, dadurch, dass sie heute zu sehen sind. Damit leben sie noch nicht mit den anderen zugleich.“ Es ist die Beschreibung von Parallelgesellschaften, die sich ihre Wahrheiten selbst zusammenreimen. Die „Mitte-Studie“ der Friedrich Ebert Stiftung zeigte im September dieses Jahres auf, dass 8 Prozent der Menschen in Deutschland ein rechtsextremes Weltbild teilen, das sei jeder zwölfte Erwachsene. Laut der Studie waren das in den Vorjahren noch 2 bis 3 Prozent. Und auch hierfür fand Ernst Bloch schon die richtigen Worte: „Sie blühen nicht im Verborgenen wie bisher, sondern widersprechen dem Jetzt; sehr merkwürdig, schief von rückwärts her.“
Die INSA Umfrage vom 16.12.2023 sieht die AFD bei 23 Prozent. Am 17.12. wurde in Pirna der erste AFD Kandidat in das Oberbürgermeisteramt gewählt. Der Verfassungsschutz stuft die AfD in immer mehr Ländern als womöglich oder gesichert rechtsextrem ein und trotzdem steigen die Umfragewerte. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen sich in Zeiten komplexer Krisen nach einfachen Antworten sehnen, nach Schuldigen für ihr Dilemma, dass Zukunft kein Sehnsuchtsort mehr ist, sondern Furcht auslöst. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass das Versprechen einfacher Lösungen in irgendeiner Form gehalten werden kann. Vielmehr wirft es uns in jeder Hinsicht zurück. Und deswegen ist es unser Job als Verteidiger der Demokratie zwei Schritte nach vorne zu gehen.
Als Demokraten sehen wir frei nach Sigmund Freud nicht nur den Unterschied. Wir machen ihn auch. Wir sind der Unterschied.
Unterschiede sind wichtig. Das Anderssein ist zu verteidigen und auch Abgrenzungen sind eine gute Sache, wenn wir sie als Merkmal des Unterschieds zu nutzen verstehen – nicht als unüberwindliche Barrieren, sondern als Leuchttürme unserer Existenz und Schönheit der Welt.
Und Hanau ist vielfältig. Das war es schon immer. Die Gründung der Hanauer Neustadt fußte auf der Überzeugung, dass Vielfalt Prosperität bedeutet. Und wir waren insgesamt auf einem guten Weg bis ein psychisch kranker Einzeltäter mit einem rassistischen Weltbild innerhalb weniger Minuten das Leben von neun Hanauerinnen und Hanauern auslöschte, die nicht seinem einfachen Weltbild entsprachen. In der Nacht des 19. Februars ist die Idee eines friedlichen und vielfältigen Hanaus angegriffen worden und wir konnten diese Tat nicht verhindern. Deswegen ist es unsere Pflicht und in unserer Verantwortung, alles dafür zu tun, dass wir den Nährboden für solch menschenfeindliches Denken austrocknen. Und das ist die Idee des Zentrums für Demokratie und Vielfalt. Aber nicht nur. Deshalb sind wir gut beraten, den Prozess der Genese auf so viele Köpfe und Schultern wie möglich zu verteilen.
Im Masterplan heißt es treffend: „Das ZDV ist ein Zentrum in, wegen und für Hanau.“ Und es beschreibt auch, warum wir einen Prozess brauchen wie er angestrebt ist: „Beteiligung findet dort statt, wo öffentliches Interesse besteht und wo wesentliche Entscheidungen noch nicht gefallen sind.“ Je mehr Menschen in dem Prozess mitarbeiten, desto stärker werden die Identifikation und die Zustimmung dazu sein. Wir brauchen Orte der Begegnung und der Gespräche. So wird aus einem Nebeneinander ein Miteinander.
Hanau braucht Menschen, die den Unterschied machen. Die zeigen, dass sie anders und stolz auf das Anderssein sind. Der Unterschied ist unser Freund. Geben wir ihm ein Zuhause. Wir sind dafür.