Die Zukunft hat begonnen

Neues Arbeiten und neues Lernen braucht digitale Pilotschulen. FDP Politiker zu Gast in der Hohen Landesschule Hanau.

„Die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche stellt eine zentrale strukturelle Herausforderung für die Bildung junger Menschen am Bildungsstandort Deutschland dar. Es ist eine der großen Zukunftsaufgaben, die Schülerinnen und Schüler an den Schulen in Deutschland umfassend auf die Digitalisierung in allen Lebensbereichen vorzubereiten.“ Mit diesen Worten beginnt die Präambel der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern zum Digitalpakt. Man könnte fast meinen, dass die Wichtigkeit der Vermittlung digitaler Kompetenzen bei Schülern auf allen Ebenen angekommen ist und nur noch implementiert werden muss. Doch weit gefehlt. Mit der Digitalisierung hängen wir in vielen Bereichen über ein Jahrzehnt hinterher und wer erwartet, dass wir uns mit dem Digitalpakt von der roten Laterne bei der Digitalisierung der Bildung für immer verabschieden und uns an die Spitze schießen, dem sei gesagt, dass dies nicht so einfach funktionieren wird.

Wer in Hessische Klassenzimmer blickt, sieht dort in der Regel immer noch Frontalunterricht, bei dem Lehrer die Inhalte, die Art der Messbarkeit der Leistungen und das Tempo vorgeben. Unabhängig davon, dass hochentwickelte Gesellschaften wie die in Deutschland immer weniger Menschen brauchen werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einen erlernten Skill abrufen können, sondern vielmehr kreative Problemlöser gefragt sind, bleiben die Chancen, die sich durch die Digitalisierung eröffnen, völlig ungenutzt. Mit Unterricht wie vor 20 Jahren produzieren wir Bildungsverlierer.

Um sich ein Bild vor Ort zu machen, besuchten der ehrenamtliche Kreisbeigeordnete des Main-Kinzig-Kreises und ehemalige Stadtrat und Schuldezernent der Stadt Hanau, Dr. Ralf-Rainer Piesold, gemeinsam mit dem Vorsitzenden der FDP Hanau, Henrik Statz, die Hohe Landesschule im Nordwesten Hanaus. Beide sind nicht nur ehemalige Schüler des über 400 Jahre alten Traditionsgymnasiums, sondern auch seit Jahren gemeinsam im Landesfachausschuss Digitalisierung der FDP Hessen aktiv.

Nach dem Weggang der ehemaligen Schulleiterin Sabine Schaetzke ist derzeit Claus Wörn, Schulleiter der Albert Einstein Schule in Maintal, kommissarischer Schulleiter an der Hohen Landesschule. Der stellvertretende Schulleiter an der Hohen Landesschule, Helge Messner, konnte bereits die Digitalisierung an seiner vorherigen Wirkungsstätte, der Karl-Rehbein-Schule und als Berater des Staatlichen Schulamts die Digitalisierung vorantreiben. Nun soll die Hohe Landesschule zeitnah an das Glasfasernetz angeschlossen werden. Schulleiter Claus Wörn war zu Mitte der 2000er an einer Schule in Singapur und hatte hier den Prozess der Digitalisierung gut 15 Jahre vor dem Digitalpakt der Bundesregierung live miterlebt und viele Eindrücke mitgenommen, welche Digitalisierungschancen den Unterricht verbessern können. „Dadurch, dass die Digitalisierung und Geräte wie Smartphone und Tablet uns überall im Leben begleiten, benötigen die Kinder, die heute bereits als Digital Natives gelten, zuallererst ein Verständnis für den Umgang mit diesen Geräten“, findet Piesold. Wie funktionieren Messenger Dienste und Soziale Medien? Wer sieht alles meine geposteten Bilder und die nicht immer nett gemeinten Kommentare über Lehrer und Mitschüler? Antworten auf diese Fragen bieten mittlerweile viele Schulen in dem Fach Medienkunde, das sich bis heute nicht im Standard Curriculum der Länder findet, sondern in der Regel nur von Schulen angeboten werden kann, die einen Teil der Mittel für den Ganztag zugunsten der Medienkompetenz der Schüler abknapsen. Der Verhaltenskodex, die sogenannte Netiquette, stellt eine wichtige Grundlage für digitale Interaktion da. Es geht aber auch um Anwendungskompetenzen. „Idealerweise sollte jedes Kind ein digitales Endgerät besitzen, das mit ausreichend Akkuleistung ausgestattet ist, damit es den ganzen Schultag begleiten kann und das aber auch mit Handschrift funktioniert“, erklärt Schulleiter Wörn und bemängelt die rückläufige Kompetenz der Handschrift. „Lehrer könnten individuelle Hausaufgaben nach jeweiligem Leistungsstand und vertiefende Informationsmaterialien zu Verfügung stellen. Referate und Präsentationen könnten per E-Mail oder Cloud allen zu Verfügung gestellt werden und mit Hilfe eines Beamers mit integrierten Filmchen zu spannenden Vorträgen gestaltet werden“, schwärmt Claus Wörn von den Möglichkeiten. Bevor dies erreicht werden kann, muss zunächst allerdings die notwendige Infrastruktur geschaffen werden. Glasfaserleitungen müssen bis in die Schulen hinein und die Gebäude mit W-LAN ausgestattet werden. Zudem braucht man in jedem Raum moderne Präsentationstechnik und einen Rechner, um die Technik ansteuern zu können. Auf dem Weg zu dieser Grundausstattung sind aber die Mittel in der Regel schon verpufft, geschweige denn, dass Schüler mit Hardware ausgestattet werden können. Ca. 9 Millionen Euro sollen für die gut 18.000 Schüler in Hanau im Rahmen des Digitalpakts investiert werden. Das entspricht 500 Euro pro Schüler. Eine ordentliche Summe, wenn man nicht bei 0 anfangen müsste. Aus diesem Topf muss aber neben der Infrastruktur auch die Fortbildung der Lehrer finanziert werden, die sich nach einem oft weitgehend analogen Studium nun den Herausforderungen der Gegenwart stellen müssen. „Das bedeutet, es ist auch nicht mit losgelösten Inselmaßnahmen getan, sondern wir brauchen langfristige Fortbildungsstrategien und Investitionspläne, um die Schüler von heute für die Aufgaben von Morgen vorzubereiten“, findet Henrik Statz von der FDP Hanau. Da es hier deutschlandweit kaum Erfahrungen gibt, werden wir digitale Pilotschulen brauchen, die die Kreidezeit hinter sich lassen. Die Hohe Landesschule in Hanau könnte zum Beispiel eine solche digitale Pilotschule sein.