Alles wird ganz anders kommen!
Die Hanauer FDP stimmt der Beauftragung der kommunalen Wärmeplanung als Strategiegrundlage zu, zur realistischen Erreichung des Netto-Null-Ziels brauche es aber Innovation und markttaugliche Lösungen, statt planwirtschaftliche Vorgaben, die alle Bürgerinnen und Bürger überfordern.
Das „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ sieht vor, dass für Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bis zum 30. Juni 2026 ein Wärmeplan erstellt werden muss. Die Hanauer Stadtverordnetenversammlung soll in ihrer Sitzung am 29. April 2024 den Magistrat mit der Durchführung der Wärmeplanung beauftragen. Die Wärmeversorgung macht in Deutschland 50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus und verursacht einen Großteil des CO2-Ausstoßes. Rund 80 Prozent der Wärmenachfrage wird derzeit durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl gedeckt.
Die strategische und systematische Planung der Wärmeversorgung zur Umstellung auf erneuerbare Energien ist somit ein entscheidender Hebel zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Der Fraktionsvorsitzende der Hanauer FDP, Henrik Statz weist in seinem Redebeitrag auf die Informationen aus der letzten Sitzung des Struktur- und Umweltausschusses hin. Hier habe man gelernt, dass die Kostenschätzungen für den Um-, Auf- und Ausbau der Hanauer Wärmenetze zur Erreichung des Netto-Null-Ziels bei rund 920 Millionen Euro liegen. Sollte bei den Analysen zur Planung herauskommen, dass in manchen Stadtteilen strombetriebene Wärmepumpen eine größere Rolle spielten, kämen noch die Kosten für das Stromnetz, Umspannwerke etc. hinzu. Es brauche also nicht viel Fantasie, um schnell eine Gesamtsumme von 1 Milliarde für die Stadt Hanau plausibel zu machen – bei rund 100.000 Bürgerinnen und Bürgern gut 10.000 Euro pro Kopf.
Um den Gebäudebestand energetisch fit zu machen, kämen durchschnittliche Kosten von 12 bis 20.000 Euro pro Kopf dazu, bei einem 4-Personenhaushalt rede man also über private Investitionen von bis zu 80.000 Euro im Gebäudebereich + weitere Kosten umzulegende Kosten für das Netz von 4 x 10.000, was dann in Summe 120.000 Euro für eine Familie wären. „Dies ist schlicht und ergreifend nicht zu leisten – zumindest nicht in der angepeilten Zeit“, erklärt Statz hierzu. Aber darum gehe es ja auch bei der Beauftragung des Magistrats auch noch nicht, sondern um zunächst um die Potenzialanalyse, welche Art der Wärmeversorgung in welchem Teil der Stadt langfristig Sinn mache.
Bis zum Stichtag am 30.06.2026 herrsche bei vielen Immobilienbesitzern in Hanau allerdings erst einmal Unklarheit und somit fehle Planungssicherheit für diejenigen, die sich schon heute auf den Weg machen wollten. „Folgen sie dem Erstansatz des Gebäudeenergiegesetzes und entscheiden sich für eine Wärmepumpe, werden sie zunächst überprüfen müssen, ob ihre Gebäude überhaupt energetisch dafür geeignet sind“, führt Statz aus. Befänden sich die Gebäude beispielsweise in enger bebauten Innenstadtlagen, werden sich Eigentümer auch mit der Standortfrage der Wärmepumpe auseinandersetzen müssen. „Und wenn dann alle auf Wärmepumpe umsteigen und gleichzeitig ihre Mobilität elektrifizieren, werden sie darauf hoffen müssen, dass der Netzausbau entsprechend schnell vorangeht“, erklärt Statz weiter. Bei der Anschaffung einer Gasbrennwerttherme, die auch wasserstofffähig ist, werden Hauseigentümer darauf vertrauen müssen, dass diesem Beispiel möglichst viele folgen und dass die Netze entsprechend umertüchtigt werden. Hier gebe es allerdings keine echten Erfahrungswerte – zum einen wegen der hohen Reaktionsfreudigkeit nicht zu unterschätzende Gefahren und zweitens gebe es noch mehr offene Fragen, denn der Wasserstoff solle ja auch möglichst grün sein und irgendwo müsse er am Ende auch herkommen. Wer die Möglichkeit an das Fern- oder ein vielleicht entstehendes Nahwärmenetz angeschlossen zu werden, müsse sich zwar darüber keine Gedanken mehr machen, ist aber einem planwirtschaftlichen Monopol ausgeliefert.
Diese Unsicherheiten gepaart mit der Nichtfinanzierbarkeit im angestrebten Zeitraum mache ein ganz anderes Szenario wahrscheinlicher, wofür auch die jüngsten Zahlen, Daten und Fakten sprechen, die von Dr. Hannah Ritchie, Senior Researcher im Programm für globale Entwicklung an der Universität Oxford und leitende Forscherin bei der einflussreichen Publikation „Our World in Data“ in ihrem Buch „Hoffnung für Verzweifelte“ veröffentlicht wurden. Zum einen wandle sich das Klima nicht so dramatisch wie es immer dargestellt wird, ferner erklärt sie, dass es zu den Schlüsselqualitäten der Menschheit zähle, dass Probleme gelöst werden können. „Der technologische Fortschritt ist bemerkenswert, bekommt in der Debatte aber kaum eine Stimme“, kritisiert Statz. „Wir müssen weiter innovative Technologien entwickeln, einsetzen und skalieren, dann werden sie von ganz allein effizienter und günstiger. Das regelt übrigens der Markt, den hier so viele verdammen. Um die Wahrheit zu sagen, ist er am Ende aber unsere einzige Chance“, erklärt Statz. Der Energiehunger werde weiter anwachsen, deswegen werde sich auch die Ökologie umcodieren müssen – von einem sozialromantischen Konzept, das auf Sparen, Verzicht und Schuldgefühlen basiert, zu einer echten Modernisierungs-Bewegung auf Basis marktwirtschaftlicher Logiken“, schließt Statz seinen Beitrag ab.