Rede von Holger B. Vogt zur Kreisfreiheit

Rede des Fraktionsvorsitzendenden Holger B. Vogt in der Stadtverordnetenversammlung am 20. August 2018 zur Kreisfreiheit:

Sehr geehrte Frau Stadtverordentenvorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren,

Das heutige Thema Kreisfreiheit bzw. die zu beschließende Vorlage zu diesem Thema ist ein historischer Markstein in der Geschichte unserer Stadt. Mit der Vorlage stoßen wir einen Prozess in einer Dimension an, der durchaus vergleichbar ist mit historischen Ereignissen wie der Gründung der Hanauer Neustadt 1597, dem Wechsel der Landeszugehörigkeit unserer Stadt von Kurhessen nach Preußen 1866 oder der Gebietsreform im Jahre 1974. Nach 44 jähriger Zugehörigkeit zu dem MKK beschließt die Stadt Hanau nun den Weg in die Kreisfreiheit zu gehen. Als Stadtverordnete und gewählte Verantwortungsträger sind wir uns der Tragweite dieses Vorhabens durchaus bewusst, Sind doch damit zahlreiche Änderungen verbunden.

Zu den Änderungen gehören aus meiner Sicht die Übernahme folgender Aufgaben im Bereich:

•     Sozialwesen
•     Abfallwirtschaft
•     Rettungswesen, Katastrophenschutz
•     Gesundheits- und Veterinärwesen
•     Untere Wasserbehörde
•     Immissionsschutz
•     Erweiterte Kompetenz der Ordnungsbehörde

Nun kann man natürlich resümieren, dass diese Änderungen unsere Verwaltung und die politischen Funktionsträger – aber auch die Bürgergesellschaft in unserer Stadt vor Herausforderungen stellen. Dieses Resümee ist auch zu Recht zu ziehen aber ich gehe davon aus, dass diese Herausforderungen zu bewältigen sind. Viel mehr noch, ich bin davon überzeugt, dass diese Kompetenzen hier in Hanau effizienter und mit einer größeren Bürgernähe zu bewältigen sind als in der derzeitigen Kompetenzverteilung zwischen Hanau als Sonderstatusstadt und dem MKK.

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG formuliert die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, räumt den Gemeinden das Recht ein, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.“

Bei einer Stadt von über 100.000 Einwohnern muss man zwangsläufig zu dem Fazit kommen, dass es gemäß des Artikels 28 GG anbietet Aufgaben mit erweiterten Kompetenzen hier in der Stadt direkt zu erledigen, als diese über einen Umweg durch den Kreis erledigen zu lassen.

Im Bereich des Sozialwesens, insbesondere im Hinblick auf den Rechtskreis des SGB II, in Verbindung mit dem Rechtskreis des SGB II und des Rechtskreises des SGB XII – sehe ich hier sogar die Möglichkeit der Optimierung einer effizienten Vermittlung von stellensuchenden Menschen in unserer Stadt. Verschiedene Kooperationsmodelle z. B. mit der Bundesagentur und dem KCA müssen hier sorgfältig geprüft und abgewogen werden.

Der Schritt zur kreisfreien Stadt ist verhältnismäßig klein und bietet große Chancen für Hanau. Ein Verbleib im Main Kinzig Kreis beinhaltet auch das Risiko, dass der Sonderstatus nicht von unbegrenzter Dauer sein könnte. Ursprünglich im Jahre 1974 war dieser als vorübergehend angelegt. Dann würde sich Hanau in einigen Jahren als gewöhnliche kreisangehörige Gemeinde im MKK mit wesentlich weniger Gestaltungsmöglichkeiten wiederfinden würde. Im Fall einer Kreisfreiheit würden die Schlüsselzuweisungen für unsere Stadt steigen. Ob jedoch im Zuge einer Reform des Kommunalen Finanzaus-gleiches die Zuweisungen für Sonderstatus Städte gleich bleiben ist ungewiss. Und vor dem Hintergrund einer derartigen Situation einfach mal abzuwarten, kann und darf nicht das Ziel von einem Oberzentrum im östlichen Rhein Main Bebiet sein, meine Damen und Herren.

Abschließend möchte ich auch noch ein Wort des Dankes an den hauptamtlichen Magistrat und den hauptamtlichen Kreisausschuss richten: Nach meiner Wahrnehmung wurde hier eine faire und sachliche Diskussion geführt, die dem Anliegen der Neugestaltung des Verhältnisses zwischen der Stadt Hanau und dem MKK würdig ist. Wenn man nach 44 Jahres eine gemeinsames Weges nun am Scheideweg steht, sollte man sich so trennen, dass man sich am Tag danach auch noch in die Augen schauen kann. Das ist hier aus Sicht der Hanauer FDP der Fall. Ich sage dies in aller Deutlichkeit weil offenbar auch Einzelmeinungen unterschiedlicher Personen in politischen Funktionen bestehen und kommuniziert werden, die hier – aus welchen Motiven auch immer – entweder eine andere Wahrnehmung haben oder den Prozess der Kreisfreiheit unserer Stadt bewusst hintertreiben wollen.

Die FDP-Fraktion in diesem Haus hat volles Vertrauen in die Gestaltungskraft des Oberbürgermeisters und des Magistrates in Hanau. Es geht nicht darum den Kreis abzuhängen oder sich gar einen finanziellen Vorteil zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger im MKK zu verschaffen. Es geht hier um die Umsetzung politischen, wirtschaftlichen und in gewisser Weise auch historischen Notwendigkeiten. Die auch klar in der hessischen Gemeindeordnung vorgehen sind, wenn eine Stadt wie Hanau nun die Marke vom 100.000 Einwohnern überschreitet. In der Ausgestaltung werden zahlreiche Detailfragen zu klären sein, die in diesem Hause von uns allen verantwortungsvoll über die nächsten Jahre begleitet werden. Dieser Prozess wird eine Herausforderung sein, die wir zum Wohle unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger gestalten werden.

Ich kann Ihnen ganz persönlich sagen, ich freue mich darauf. Nicht nur wegen dem Miterleben und gestalten einer solchen Situation sondern weil ich auch davon überzeugt bin, dass wir hier zum Wohl unserer Stadtgesellschaft handeln.

Am 01.04.2071 werden die meisten von uns diesem Hause nicht mehr angehören. Aber ich bin davon überzeugt, dass uns der Historiker, der dann vielleicht diesen Prozess erforscht, bescheinigen wird, dass wir heute die richtige Entscheidung getroffen haben.