Europa ist und bleibt eine Riesenchance.
Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses Bettina Stark-Watzinger im Gespräch mit Kreishandwerksmeister Martin Gutmann bei FDP Hanau
Im Jahr 1897 beschloss das englische Parlament den Merchandise Marks Act, der vorschrieb, dass auf Waren unmissverständlich das Herkunftsland anzugeben ist. Die Idee dahinter war, britische Kunden vor Plagiaten und Produkte minderer Qualität aus dem Ausland zu schützen. Unter anderem war die Bezeichnung „Made in Germany“ das Resultat dieses Acts – und tatsächlich galten zu jener Zeit Waren aus Deutschland als billig und schlecht. Dieses alarmierende Attest sollte eine Qualitätsoffensive im deutschen produzierenden Gewerbe auslösen und dazu führen, dass „Made in Germany“ landauf, landab statt als Mahnung immer mehr zum Qualitätssiegel wurde. Dieser Ruf und eine günstige Wirtschaftspolitik sorgten dafür, dass Deutschland in der Folge zum Exportweltmeister wurde. Ursprung solcher Produkte waren nicht selten kleine Handwerksbetriebe, die die Chancen der industriellen Produktion für sich erkannten und oft durch Tüftelei und Improvisation nebenbei zu Marken von Weltruhm wurden.
Wer weiß, ob wir heute Zündkerzen, Gummibärchen, Kameras, Fernseher, Düsentriebwerke, Computer oder Fußballstollenschuhe hätten, wenn es damals schon so viele Normen, arbeitsrechtliche Vorschriften, A1 Bescheinigungen oder andere bürokratische Hürden für kleine und mittlere Unternehmen gegeben hätte? Um dies zu erörtern, hatte die FDP Hanau zum Gespräch mit der Vorsitzenden des Bundestagsfinanzausschusses und frisch bestätigen Beisitzerin im Bundesvorstand der Freien Demokraten, Bettina Stark-Watzinger sowie Kreishandwerksmeister Martin Gutmann eingeladen.
Zur Eröffnung erläuterte Martin Gutmann wie sich das Handwerk in den letzten Jahren verändert hat. Deutsche Betriebe haben aus seiner Sicht signifikante Wettbewerbsnachteile. Einst geschützte Berufssparten sind nun offen für „Jedermann“, was zu einer deutlichen Erosion bei Preisen und auch Qualität geführt hätte. Produktion sei in kleineren Betrieben aufgrund der Kostenstruktur unattraktiv geworden, Geld werde nur noch mit Montage, Reparaturen und Service verdient. Skurril werde es zudem, wenn man sich die unterschiedlichen Herausforderungen zur Auftragsannahme in Grenzgebieten anschaue. Gutmann berichtete hier von einem Gespräch mit dem Inhaber eines Handwerksbetriebs im Saarland, der aufgrund zu hoher bürokratischer Hürden von Seiten Frankreichs keine Aufträge mehr aus dem Nachbarland annehmen würde. Hier würden zum Beispiel gesonderte Gesundheitszeugnisse verlangt sowie die namentliche Nennung aller Mitarbeiter vor einem Grenzübertritt, zudem sei die Meldung der Umsatzsteuern in Deutschland und Frankreich hochkompliziert, alle auszufüllenden Formulare seien lediglich in Französischer Sprache verfügbar. Französische Betriebe könnten hingegen ohne besondere Barrieren in Deutschland arbeiten. Auch die unterschiedliche Regelung der Ausbildung sei ein Problem. In Deutschland müssten Betriebe in ihre Auszubildenden investieren, in anderen Ländern komme der Staat dafür auf oder es könne ohne bestimmte Voraussetzungen in Handwerksberufen gearbeitet werden.
Bettina Stark-Watzinger räumte ein, dass insbesondere bei der Waren- und Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU vieles zu verbessern sei. „Kleine und mittlere Betriebe hätten hier mit zu viel Bürokratie zu kämpfen, was den Ursprungsgedanken des freien Binnenmarktes stark ausbremse. Dennoch sei Europa eine Erfolgsgeschichte mit vielen Chancen und ein Garant für Frieden und Wohlstand,“ so Stark-Watzinger. Deswegen müssten die Europäischen Werte von Demokratie, Freiheit und Pluralismus bei den Wahlen für das Europäische Parlament verteidigt werden. Großmächte wie China, Russland und die USA setzen ihre Marker in der Welt. „Mit einem starken und einigem Europa könne man einen starken Gegenpol zu den aktuell isolationistischen Tendenzen des Grenzdenkens setzen, schließlich seien viele Themen wie zum Beispiel Klima-, Verteidigungs- oder Einwanderungspolitik nur übergeordnet zu lösen. Für dieses Miteinander ist weiter zu kämpfen,“ so Stark-Watzinger weiter.