In welcher Stadt wollen wir leben?
Hanauer FDP stimmt für den Erwerb der Kaufhof-Immobilie am Marktplatz
Hanau, 16.10.2023. Die Hanauer Stadtverordneten hatten heute über eine zukunftsweisende Entscheidung abzustimmen: Den Ankauf der Immobilie am zentralen Hanauer Marktplatz, die aktuell noch durch die Filiale des Kaufhauses Galeria Kaufhof genutzt wird. Jedoch wird die Hanauer Niederlassung zum 31. Januar 2024 geschlossen und das ist in vielerlei Hinsicht kein Grund zur Freude. Auch die Frage nach der zukünftigen Nutzung des Gebäudes, das das Hanauer Stadtbild seit Jahrzehnten prägt, wird seit Monaten lebhaft diskutiert, ein Ankauf durch die Stadt steht bereits seit längerem im Raum. Die Hanauer Fraktion der FDP stimmte geschlossen für einen Ankauf und der Stadtverordnete Hendrik Statz erläuterte den Standpunkt seiner Partei zu diesem Thema.
Nicht nur in Hanau endet mit dieser Schließung eine große Warenhausgeschichte; es sind 47 weitere Filialen quer durch die Republik betroffen. „Wir werden in diesem groß angelegten Feldversuch erleben, wer für diese Stadtentwicklungskatastrophe die besten Rezepte in die Schublade gelegt hat,“ erklärt hierzu der Vorsitzende der FDP Stadtverordnetenfraktion, Henrik Statz. Der Niedergang der Warenhäuser als Frequenzmagnet der Innenstädte in den vergangenen Jahren habe laut Statz viele Ursachen: Von der Verlagerung des Konsums in den Onlinehandel, über verändertes Kaufverhalten, die Zunahme konkurrierender Angebote um das Netto der Bürgerinnen und Bürger bis hin zum Trend der postmateriellen Verzichtsgesellschaft, es ist von allem etwas dabei. Eine detaillierte Analyse bringe allerdings nur etwas, wenn man dadurch verstehen könne, welche Eigenschaften des Warenhauses die Menschen einst in die Städte gebracht hatte und was sie zukünftig wieder in die Zentren bringen soll. Hierbei ginge es laut Statz schlicht um die Frage: „In welcher Stadt wollen wir leben?“
Lebendige Stadtentwicklung bestehe im Kern darin, den örtlichen und infrastrukturellen Rahmen dafür zu schaffen, dass Menschen ganz selbstverständlich andere Menschen treffen können. Das habe man spätestens in den Lockdowns der Pandemie als Grundbedürfnis kennengelernt und so fasse es auch der Guru der modernen Stadtplanung, der Däne Jan Gehl zusammen, der die Stadt Kopenhagen quasi neu erfunden und zu einer der begehrtesten Hotspots des Planeten gemacht hat.
Jede Kommune kann den Anschluss halten, dafür sind aber auch mutige Schritte gefordert. „Es ist jetzt Zeit, vom Handel ins Handeln zu kommen,“ erklärt Statz. „Doch das bedarf grundsätzlicher Reflexion – und das ist der Plan, den wir mit dem heutigen Erwerb lostreten wollen,“ so Statz weiter.
27,5 Millionen Euro für den Kauf und weitere rund 40 Millionen für die Komplettsanierung, seien ein ziemlich dickes Brett. Ein solcher Endpreis sei nach klassischen Gesichtspunkten nicht wirklich marktfähig. 27,5 Millionen, waren zum Zeitpunkt des Ankaufs in den Fonds ein plausibel begründbarer Wert gewesen, würde man das Gebäude aber heute zu diesem Kurs anbieten, wäre die Schlange der Bieter sehr kurz.
Man merke auch, dass das Thema stark emotionalisiere und das sei auch ganz natürlich. Jeder Mensch, der eine Zeit lang in Hanau gelebt habe, hätte seine persönlichen Erinnerungen an das Gebäude am Markt. Der Kaufhof war – insbesondere in seiner Anfangszeit – ein emotionaler Marktplatz für die individuellen Wünsche, eine Oase des Überflusses und der Verschwendung in einem positiven Sinn.
Die möglichen Alternativen zum Erwerb der Immobilie würden in den Laborversuchen in Offenbach, wo man den Kaufhof dem Markt überlässt, und Limburg, wo man in die künstliche Beatmung viel Geld investiere, zu betrachten sein. Solchen Alternativen machen allerdings aus Sicht der Hanauer FDP keinen Sinn, denn was würde an dem Standort nach all den Bemühungen der letzten Jahre passieren, wenn hier auf mehrere Jahre das Licht ausbliebe? Eine Brache, mit 11.500 Quadratmetern im Herzen der Stadt. Eine offene Wunde, ein monolithisches Zeugnis der Frustration aus Beton und Einfachverglasung.
Neben der reinen Ökonomie sei Kontextkompetenz gefragt. Es ginge darum, sowohl den Wald als auch jeden einzelnen Baum zu sehen. „Kontextkompetenz ist in diesem Fall das Bewusstmachen der eigenen ökonomischen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit,“ so Statz in seinem Redebeitrag. Sie bedeute einerseits, die eigenen materiellen Grundlagen gut zu kennen aber auch die Welt, in der wir leben, also das eigene Hanau gut zu kennen. Man dürfe sich nicht der Illusion hingeben, dass der Erfolg der Projektentwicklung Kaufhof vom Himmel fallen werde, vielmehr werde es ein harter, schwerer und sehr anspruchsvoller Weg, der finanzielle, personelle und viel kreative Ressourcen binden werde. Für die Liberalen gelte dabei immer das Prinzip „Privat vor Öffentlich.“
„Das Projekt ist, und das wollen wir bei aller Demut gegenüber des Volumens nicht vergessen, eine riesige Chance, eine neue, ganzheitliche Quartiersentwicklung in der Herzkammer der Stadt anzugehen. Die Stadt von morgen ist dynamisch und adaptiv. Und wir können hier einen immensen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Stadt leisten, denn wir haben hier die Chance für eine mutige, kluge, resilienzfördernde, weil breiter aufgestellte und am Ende für die Menschen gemachte urbane Entwicklung mit Weitblick. Um es zusammenzufassen: wir von der FDP sind für den Kauf der Kaufhofimmobilie – nicht, weil wir nicht anders können, sondern weil wir nicht anders wollen,“ schließt Statz seinen Redebeitrag ab.
Bild: Stadt Hanau, Moritz Göbel